Lehrbuch

In Deutschland sind derzeit ca. 1,7 Mio. Menschen an Demenz erkrankt. In der aktuellen Demenzforschung zeichnet sich ein Paradigmenwechsel bei der Prädiktion, Früherkennung und Diagnose von Demenz ab. Für die an der Versorgung und Beratung der Betroffenen beteiligten Professionen ergeben sich dadurch neue rechtliche, ethische und soziale Fragestellungen. Um diese Herausforderungen auch für zukünftige Berufstätige zugänglich zu machen sowie eine Sensibilisierung des Themas Demenz zu ermöglichen, haben wir als ein Ergebnis unseres Diskursverfahrens „Konfliktfall Demenzvorhersage“ ein Lehrkonzept entwickelt.

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Folgeprojekt: Gut beraten

Die aus dem Diskursverfahren gewonnen Erkenntnisse fließen seit 2019 in das Anschlussprojekt Gut beraten: Neue multimodale und standardisierte Beratungsmodelle für Menschen im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung bzw. im Rahmen einer Demenzvorhersage ein. Dieses wird von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG) mit 150.000 Euro gefördert.

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Abschlusstagung am 6. September 2019 in Bochum

Wir möchten Sie ganz herzlich zur Abschlusstagung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Diskursverfahrens „Konfliktfall Demenzvorhersage“: Chancen und Risiken der Demenzvorhersage – Wie gestalten wir die zukünftige Praxis? einladen:

Freitag, 6. September 2019, ab 13.00 Uhr
in der Hochschule für Gesundheit (hsg) Bochum
Gesundheitscampus 6-8, 44801 Bochum

Fortschritte in der Biomarker-Forschung werden in naher Zukunft eine preiswerte Vorhersage von Demenzen ermöglichen. Ist unsere Gesellschaft auf die ethischen, sozialen und rechtlichen Herausforderungen ausreichend vorbereitet? Dieser Fragestellung hat sich das Diskursverfahren „Konfliktfall Demenzvorhersage“ gewidmet. Dabei ist im Rahmen einer Stakeholderkonferenz 2018 erstmals im deutschsprachigen Raum eine gemeinsame Stellungnahme zu Implikationen der Demenzvorhersage entstanden, auf deren Basis der Diskurs nun fortgeführt wird.

Die Abschlusstagung richtet sich an alle Interessierten.

Programm

13:00 Uhr: Begrüßung
13:05-13:20 Uhr: Prof. Dr. Klaus Gerwert: „Neue Trends in der Demenzvorhersage. Ein kurzer Überblick“
13:20-13:50 Uhr: Prof. Dr. Silke Schicktanz und apl. Prof. Dr. Scott Stock Gissendanner: Ergebnisse aus dem Diskursverfahren „Konfliktfall Demenzvorhersage“
13:50-14:10 Uhr: Katja Kuhlmann und Carolin Rauter mit Dr. Anne Roll: Perspektiven von Studierenden der Gesundheits- und Krankenpflege und der Medizin
14:10-14:30 Uhr: Dr. Jürgen Gohde: Einordnung der Ergebnisse des Diskursverfahrens aus Sicht des Projektbeirats
14:30-15:00 Uhr: Diskussion
15:00-15:45 Uhr: Keynote: Prof. Dr. Samia Hurst: „Regional policies and ethical issues regarding early diagnosis of Alzheimer’s disease in Switzerland“
15:45-16:15 Uhr: Pause
16:15-16:45 Uhr: Dr. Carolin Schwegler: „Die Alzheimer-Vorhersage und ihre Auswirkung auf die Lebensqualität von Betroffenen. Ethische Fragen und Implikationen für die Praxis“
16:45-17:15 Uhr: Dr. Matthé Scholten: „Forschung mit Menschen mit Demenz: Ethische Herausforderungen und praktische Lösungsansätze“
17:15-18:00 Uhr: Plenardiskussion mit fachspezifischem Input: „Chancen und Risiken der Demenzvorhersage – Wie gestalten wir die zukünftige Beratung in der Praxis? Eine interdisziplinäre Strategieentwicklung“ mit Dr. Frank Bergmann, Prof. Dr. Emrah Düzel, Sabine Jansen, Prof. Dr. Martina Roes und Prof. Dr. Silke Schicktanz
Moderation: Prof. Dr. Hans Gutzmann
18:00 Uhr: Abschluss der Tagung und gemütlicher Ausklang

Melden Sie sich bis zum 30. August 2019 an unter folgender Adresse: demenzvorhersage@iegus. eu

Wir freuen uns schon darauf, Sie am 6. September 2019 in Bochum zu begrüßen!

Chancen der Früherkennung von Alzheimer

Das Team um unser Beiratsmitglied Prof. Dr. Klaus Gerwert hat mit Hilfe der Proteinforschung große Fortschritte bei der Früherkennung von Alzheimer erzielt. Lesen Sie hier die Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum, an der das Verfahren entwickelt wurde:

Alzheimer sehr früh erkennen im Blut

Erst kürzlich sind zwei große Studien mit neuen Wirkstoffen gescheitert – vielleicht weil sie zu spät eingesetzt werden. Ein neuer Früherkennungstest gibt Hoffnung.

Die Alzheimerkrankheit, häufigste Ursache für Demenz, kann mit derzeitigen Techniken erst erkannt werden, wenn sich die typischen Plaques im Gehirn gebildet haben. Aber dann scheint keine Therapie mehr möglich. Die ersten Veränderungen durch die Alzheimerkrankheit finden auf Proteinebene schon bis zu 20 Jahre früher statt. Mit einem an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelten zweistufigen Verfahren kann die Erkrankung allerdings schon früher erkannt werden. Die Bochumer Forscher berichten in der März-2019-Ausgabe der Fachzeitschrift „Alzheimer’s and Dementia: Diagnosis, Assessment and Disease Monitoring“.

„Damit ist ein neuer Weg für sehr frühe Therapieansätze geebnet, bei dem die bisher erfolglosen Medikamente und einstigen Hoffnungsträger vielleicht doch noch wirken könnten“, so Prof. Dr. Klaus Gerwert vom Lehrstuhl für Biophysik der RUB.

Protein faltet sich falsch

Klaus Gerwert (links) und Andreas Nabers entwickleln den Alzheimer-Sensor Schritt für Schritt weiter © RUB, Marquard

Schon lange vor den ersten Symptomen faltet sich das Protein Amyloid-Beta bei Alzheimerpatienten auf krankhafte Weise falsch. Diese Fehlfaltung konnte ein Forscherteam unter Leitung von Klaus Gerwert mittels eines einfachen Bluttests diagnostizieren und damit im Mittel acht Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome die Erkrankung feststellen. Für die klinische Anwendung war der Test allerdings noch nicht geeignet, denn er erkannte zwar 71 Prozent der Alzheimerfälle in symptomlosen Stadien, jedoch wurden neun Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer falsch positiv diagnostiziert. Um die Anzahl der korrekt erkannten Alzheimerfälle zu erhöhen und die der falsch positiven Diagnosen zu reduzieren, arbeiteten die Forscher mit Hochdruck an einer Optimierung des Tests.

Zweiter Biomarker

Das ist ihnen jetzt mit dem zweistufigen Diagnostikverfahren gelungen. Dabei nutzen sie den ursprünglichen Bluttest zur Identifizierung von Hochrisiko-Personen. Bei allen Probanden, die in diesem Test positiv auf die Alzheimerkrankheit getestet wurden, nehmen sie einen weiteren demenzspezifischen Biomarker dazu, das Tau-Protein. Zeigen beide Biomarker ein positives Ergebnis, ist die Alzheimererkrankung hoch wahrscheinlich. „Durch die Kombination beider Messungen wurden in unserer Studie 89 von 100 Alzheimererkrankte richtig erkannt“, fasst Klaus Gerwert zusammen. „Die falsch positiv getesteten Gesunden konnten wir sogar auf 3 von 100 reduzieren.“ Die zweite Messung erfolgt an Nervenwasser, das dem Rückenmark entnommen wird, dem sogenannten Liquor.

„Jetzt können neue klinische Studien mit Probanden in sehr frühen Krankheitsstadien starten“, so Gerwert. Er hofft, dass die vorhandenen therapeutischen Antikörper vielleicht doch noch greifen. „Kürzlich sind zwei sehr große vielversprechende Studien gescheitert – nicht zuletzt, weil die Therapie vermutlich zu spät begonnen wurde. Der Test eröffnet ein neues Behandlungsfenster.“

„Sobald sich die Amyloid-Plaques gebildet haben, scheint die Erkrankung nicht mehr therapierbar zu sein“, so Dr. Andreas Nabers, Arbeitsgruppenleiter und Mitentwickler des Alzheimersensors. „Sollte es uns nicht gelingen, Alzheimer aufzuhalten, droht unserer alternden Gesellschaft eine enorme Belastung.“

Sensortest ist einfach und robust

Der Bluttest wurde am Lehrstuhl für Biophysik der RUB zu einem voll automatisierten Verfahren ausgebaut. „Der Sensor ist einfach zu nutzen, robust gegen Konzentrationsschwankungen von Biomarkern und standardisiert“, erklärt Andreas Nabers. „Wir arbeiten jetzt intensiv daran, auch den zweiten Biomarker, das Tau-Protein, im Blut zu detektieren, um künftig ein rein blutbasiertes Testverfahren anzubieten“, so Klaus Gerwert.

Originalveröffentlichung

Andreas Nabers, Henning Hafermann, Jens Wiltfang, Klaus Gerwert: A? and tau structure-based biomarkers for a blood- and CSF-based two-step recruitment strategy to identify patients with dementia due to Alzheimer’s disease, in: Alzheimer’s and Dementia: Diagnosis, Assessment and Disease Monitoring, 2019, DOI: 10.1016/j.dadm.2019.01.008

Pressegespräch am 5. April 2019 in Berlin

Chancen und Risiken der Demenzvorhersage: Wo besteht politischer Handlungsbedarf?

Vorstellung der Ergebnisse eines bundesweiten zivilgesellschaftlichen Diskurses und Statements führender Demenzexpertinnen und Demenzexperten

Bei einem Pressegespräch am 5. April 2019 in Berlin wurde das zentrale Projektergebnis — die gemeinsame Stellungnahme 24 betroffener und verantwortlicher Verbände, Institutionen und Organisationen in Deutschland — von der Projektleitung Prof. Dr. Silke Schicktanz und apl. Prof. Scott Stock Gissendanner öffentlich präsentiert. Um die Ergebnisse zu kommentieren und deren Tragweite zu verdeutlichen referierten unter sympathischer Moderation von Antje Hoppe, Chefredakteurin des Portals gerechte-gesundheit.de der Presseagentur Gesundheit:

Prof. Dr. Stefan Teipel
Leiter der Klinischen Forschung am Standort Rostock/Greifswald,
Gruppenleiter und stv. Standortsprecher
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Rostock/Greifswald

Sabine Jansen
Co-Vorsitzende der Steuerungsgruppe der Nationalen Demenzstrategie;
Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz

Prof. Dr. Andreas Kruse
Vorsitzender der Altenberichtskommission der Bundesregierung;
Leiter des Instituts für Gerontologie, Universität Heidelberg;
Mitglied im Deutschen Ethikrat

Die Referentin und die Referenten schätzen die Projektergebnisse als sehr positiv und das Projekt damit als Erfolg ein.

Zunächst beleuchtete Prof. Dr. Stefan Teipel die Chancen und Risiken früher Prognosen: „In der heutigen Versorgungsrealität werden manifeste Demenzerkrankungen in über 50 Prozent der Fälle spät oder gar nicht erkannt. Dies nimmt den Betroffenen und ihren Familien die Chance, besser mit der Erkrankung umzugehen und medikamentöse Behandlung und individuelle Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig stehen heute schon biologische Marker zur Verfügung, die eine Alzheimer Krankheit bereits vor Auftreten von Demenzbeschwerden nachweisen können. Die prognostische Aussagekraft dieser Marker für die spätere Entwicklung einer Demenz ist derzeit allerdings nicht ausreichend, um ein individuelles Screening von kognitiv unbeeinträchtigten Personen zu rechtfertigen. Diese Einschränkung sollte bei der Beratung von Personen, die eine prognostische Untersuchung wünschen, unbedingt beachtet werden.“

Sabine Jansen ging auf die Rolle der Pflichtberatung ein. Auf der einen Seite könnten die Chancen einer Demenzvorhersage z. B. eine mögliche geänderte Lebensplanung, mögliche Vorausverfügungen oder eine Änderung des Lebensstils beinhalten. Auf der anderen Seite könnten Risiken einer Demenzvorhersage eine Gefahr des Auftretens von Ängsten, Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken zur Folge haben. Außerdem sind die Unsicherheit der Testgenauigkeit, die Ungewissheit über den Zeitpunkt des Eintretens einer möglichen Erkrankung sowie eine mögliche Stigmatisierung zu berücksichtigen. Auch Angehörige könnten durch eine Demenzvorhersage mitbetroffen sein. Daher sollte keinesfalls Druck zur Testung ausgeübt werden. Es bedarf einer guten Pflichtberatung vor der Entscheidung über einen solchen Test mit Hinweisen auf (Un)genauigkeit der Tests und mögliche Folgen sowie einer Begleitung nach einem positiven Test. Für die Zukunft besteht die Notwendigkeit der Bereitstellung von weitreichenden Informationen für Betroffene und deren Angehörige.

Prof. Dr. Andreas Kruse betonte abschließend den Stellenwert der Selbstbestimmung des Individuums: „Auf das Individuum darf selbst dann, wenn eine Symptomatik vorliegen sollte, die auf eine spätere Alzheimer-Demenz deuten könnte, keinerlei Zwang zur Teilnahme an einer prädiktiven Diagnostik ausgeübt werden. In dem unbedingten Respekt vor der Selbstbestimmung (und damit Entscheidungsfreiheit) des Individuums zeigt sich auch der unbedingte Respekt vor dessen Würde. Allerdings ist alles dafür zu tun, dass das Individuum die Perspektive seiner engsten Bezugspersonen in seinem Entscheidungsprozess ausdrücklich mitberücksichtigt.“

Nachfolgend finden Sie die Unterlagen der Pressemappe:

Stakeholder-Konferenz im Diskursverfahren „Konfliktfall Demenzvorhersage“ am 22./23. Juni 2018 in Göttingen

Am 22./23. Juni 2018 findet im Diskursverfahren „Konfliktfall Demenzvorhersage“ eine Stakeholder-Konferenz in Göttingen statt. Ausgehend von den eingereichten Stellungnahmen erarbeiten die teilnehmenden Stakeholder im moderierten Diskurs Positionen zum Umgang mit der Demenzrisikovorhersage anhand von Biomarkern. Ziel ist die Formulierung einer gemeinsamen, pointierten Stellungnahme mit allgemeinen und spezifischen Zielsetzungen und identifizierten Handlungsbedarfen.

Die Ergebnisse werden am Samstag, 23. Juni 2018, ab 11.00 Uhr der Öffentlichkeit vorgestellt. Wir freuen uns, dass wir Dr. Carola Reimann, die niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, sowie Prof. Dr. med. Ralf Ihl, Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Alexianer Krefeld, für die öffentliche Diskussion der Ergebnisse gewinnen konnten. Neben der Projektleiterin Prof. Dr. Silke Schicktanz, Professorin für Kultur und Ethik der Biomedizin am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen, werden auch Personen aus den Reihen der Stakeholder mitdiskutieren. Die Diskussion wird vom Vorstand des Projektbeirats Dr. Jürgen Gohde moderiert.

Sie sind herzlich eingeladen, an dieser Diskussion teilzunehmen!

Podiumsgespräch mit öffentlicher Diskussion
Samstag, 23. Juni 2018, 11:00 bis 13:00 Uhr
Historische Sternwarte (Grüner Saal)
Geismar Landstraße 11, 37083 Göttingen